Rudolf Müller

„Als Frau muss man immer noch unter Beweis stellen, dass man Ahnung hat“

„Als Frau muss man immer noch unter Beweis stellen, dass man Ahnung hat“

Jessica Jörges hat eine Ausbildung zur Malerin absolviert und bastelt gerade an ihrem Meister. Wir wollen von der Tochter eines Malermeisters im Interview wissen, wie sie sich in einem Beruf behauptet, der immer noch als Männerdomäne gilt, welche Vorurteile sie am meisten nerven und wie sie Frauen im Handwerk voranbringen möchte.

FrauenZimmer: Wie hat dein Vater auf deinen Berufswunsch reagiert?

Jessica Jörges: Ich würde sagen, er war positiv überrascht. Da ich jahrelang angekündigt hatte, dass ich nach der Schule studieren möchte, kam es im ersten Moment, als ich meine Meinung geändert hatte, bestimmt überraschend. Aber da ich seit jeher – von Kindestagen an – handwerklich aktiv und auch sehr kreativ war, hatte er diesbezüglich gar keine Einwände. Jedoch wies er mich von Anfang an darauf hin, dass es mit den Männern auf dem Bau nicht immer ein Zuckerschlecken sein würde und dass es auch den ein oder anderen geben könnte, der von Frauen am Bau überhaupt nicht überzeugt ist, aber das sollte mich keineswegs aufhalten.

Jessica möchte auch weiter in die Fußstapfen ihres Vaters treten und absolviert momentan eine Ausbildung zur Malermeisterin.

Welche Eigenschaften bringen Frauen deiner Meinung nach mit, die im Handwerk und speziell im Malerhandwerk wichtig und von Vorteil sind?

Ich glaube, als Frau hat man manchmal noch mehr den Blick für Details. Exakte und genaue Arbeiten mag ich persönlich sehr gerne und auch alles, was in den Bereich kreative Gestaltung geht. Da denke ich, haben Frauen vielleicht in erster Linie ein wenig besseres Gespür für – wobei es auch Männer gibt, die super kreativ sind und sehr genau arbeiten. Ein weiterer Vorteil für Frauen im Handwerk ist, dass wir uns derzeit ganz bewusst für diese Laufbahn entscheiden und es keine Notlösung für die spätere Berufswahl ist. Deshalb sehe ich Frauen im Handwerk in jeder Hinsicht als sehr zielstrebig und fokussiert, weshalb es inzwischen im Handwerk sehr viele erfolgreiche Frauen gibt. Gerade weil Frauen diesen Ehrgeiz direkt zeigen müssen, um im Handwerk Anerkennung zu erhalten, können sie sich nicht zuerst einfinden. Aber es ist eben auch das, was wir gerne machen wollen.

Möchtest du den elterlichen Betrieb einmal übernehmen und traust du dir die Selbständigkeit zu?

Im Moment denke ich sehr viel darüber nach, künftig den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Derzeit mache ich in Vollzeit meinen Meister und schnuppere vermehrt in unsere Büroarbeit rein. Dabei finde ich auch gerade den Ausgleich zwischen Baustelle und Büro sehr ansprechend, weil es so auch niemals langweilig wird und man ständig neuen Herausforderungen gegenübersteht. Sowohl die eigenständige Arbeit als auch die Arbeit mit Kollegen und die Arbeit mit Azubis macht mir sehr viel Spaß und ich denke, ich würde dieser Aufgabe als Chefin auch gerecht werden.

Wie würdest du deine Firma aufstellen, um Frauen im Handwerk voran zu bringen? Würdest du sie besonders fördern und wenn ja, wie?

Ich denke, es ist gut, eine gesunde Mischung aus Frauen und Männern im Betrieb zu haben, weil jeder seine Stärken hat. So kann ich zum Beispiel was schwere körperliche Arbeiten angeht, mit den Jungs nicht immer komplett mithalten und bin sehr froh, dass wir ein gutes Team sind. Wenn die Männer manchmal weniger Lust auf filigrane und feine Arbeiten haben, dann mache ich das sehr gerne. Und so ergänzt es sich sehr gut.
Ob ich Frauen besonders fördern würde:
Ich würde natürlich versuchen, jedes Talent zu fördern. Egal ob es ein junger männlicher oder weiblicher Auszubildender ist. Das würde an dieser Stelle weniger eine Rolle spielen. Aber natürlich sollten die Talente gefördert werden – niemand sollte aufgrund seines Geschlechts benachteiligt oder an der Ausübung und Förderung seiner Talente gehindert werden. Das wäre mir sehr wichtig – denn ich hatte eine sehr ausgeglichene Ausbildung und das würde ich mir auch für andere Frauen wünschen. Selbstverständlich würde ich mich auch sehr freuen, wenn wir wieder eine Kollegin oder Auszubildende in unserer Firma begrüßen dürften, denn die letzte Kollegin zog wieder zu ihrer Familie und musste uns leider verlassen.

Wie reagieren die Jungs auf der Baustelle auf dich?

Ich würde sagen, im ersten Moment ein wenig irritiert – so als hätte man sich in der Tür geirrt oder sei ungewöhnlich für diesen Ort. Aber bisher hatte ich eigentlich noch nie ein Problem mit dummen Sprüchen oder etwas Frauenfeindlichem auf dem Bau. Über die komischen Blicke muss man einfach drüberstehen, vor allem, wenn man weiß, was man kann. So haben mir die Jungs in meiner Firma schon immer sehr viel zugetraut und da gab es nie ein Problem, dass jemand glaubte, ich könnte die Aufgabe nicht bewältigen. Deshalb bin ich auch sehr selbstbewusst auf der Baustelle. Ich weiß, was ich kann und ich weiß, woran ich arbeiten muss. Dabei bin ich mir auch nicht zu schade, einmal nachzufragen, weshalb ich sagen würde, es läuft seit meiner Ausbildung auch sehr gut.

Was erzählst du von dir und deinem Beruf beim ersten Klassentreffen in 10 Jahren?

Ich vermute, bei mir werden ziemlich viele überrascht sein, dass ich den Weg ins Handwerk eingeschlagen habe und ich werde ihnen deshalb erzählen, was für ein toller Beruf und welch schöner Werdegang dieser Weg ins Handwerk war. Ich denke, sie werden an meiner Art sehen, wie sehr ich mich gewandelt habe, von einer schüchternen, zurückhaltenden zu einer sehr aufgeschlossenen Person, die auch auf Menschen zugehen kann. Ich werde einfach Werbung für das Handwerk machen und zeigen, wie viel Spaß ich an meinem Beruf habe und wie abwechslungsreich und vielfältig dieser Beruf ist. Und eben, dass Erfolg im Handwerk möglich ist.

Welches Vorurteil nervt dich am meisten beim Thema Frauen im Handwerk?

Ich denke, dass oft noch gesagt wird, dass Frauen die Arbeit, die Männer leisten, nicht schaffen können. Das mag für manche körperliche Arbeit zutreffen – wir können nicht so schwer heben und auch nicht ganz so viele Säcke Putz auf einmal tragen. Aber das sollte nicht die entscheidende Frage sein, deshalb finde ich solche Aussagen immer relativ doof. Frauen können auch körperlich arbeiten, und wenn man wirklich will, schafft man auch vieles, was andere nicht von einem erwarten würden.
Manchmal wird man schon etwas belächelt und prüfend nach Fachkenntnissen gefragt. Ich würde sagen, dass man als Frau erstmal unter Beweis stellen muss, dass man Ahnung hat: entweder durch einen Titel, wie den Meister oder eine Teilnahme oder einen Sieg bei bekannten Wettbewerben. Da gestehen sich die Fragenden dann meist ein, dass man doch Ahnung haben muss, um wie ich an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen. Letztendlich finde ich aber gerade sehr schade, dass Frauen zuerst durch Qualifikationen beweisen müssen, was sie können und die mega gute Arbeit auf der Baustelle oft nicht als Beweis ausreicht.

Wie weit hat dich die Geschichte eures Betriebes beeinflusst?

Ich bin in einem Familienbetrieb groß geworden und nunmehr die vierte Generation, mein Ur-Opa hatte den Betrieb gegründet, mein Opa diesen letztlich an meinen Vater übergeben. Ich finde diese Tradition sehr schön, ich finde Familienbetriebe sollte erhalten bleiben, wobei es auch nicht schlimm  ist, sollte eine Generation den Betrieb nicht übernehmen – die Hauptsache ist, der Betrieb bleibt erhalten. Das hatte ich auch früher immer gehofft, als ich noch studieren wollte, dass irgendjemand den Betrieb übernehmen würde. Mittlerweile finde ich es sehr schön und auch ehrenwert, diese Tradition weiterführen zu dürfen und in einer Mischung aus Tradition und Moderne schöne Räume zu gestalten. Sowohl mit bewährten und bekannten Techniken, als auch mit neuer Kreativität. Dabei sollte auch die Digitalisierung und das Umweltbewusstsein in den Vordergrund rücken, um einen traditionsreichen Betrieb mit langer Geschichte auch in Zukunft wettbewerbsfähig und modern führen zu können und durch Qualität und Engagement hervorzustechen.

Vielen Dank für das Gespräch, Jessica!

Jessica hat eine eigene Website und betreibt dort auch ihren Blog: www.buntezukunft.de

Auf www.buntezukunft.de berichtet Jessica aus ihrem Leben als Malerin und Lackiererin.

 

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